Ein zentrales Motiv dieser „Notizen“ ist die Architektur. Hier interessiert sich der Künstler insbesondere für die mittelalterlichen Sakralbauten, Brücken, Stadttore, Türme sowie dörfliche Architektur sowohl an der Ostsee als auch im Umland von Weimar, wo er sich ab 1906 und bis nach 1930 wiederholt mehr oder weniger lang aufhält und vor Ort hunderte von Skizzen anfertigt. Aus Weimar schreibt er 1913 an Alfred Kubin: „Die Dörfer, wohl über Hundert, in der Umgebung sind prachtvoll! Die Architektur: (Sie wissen ja, wie ich von der ausgehe!) ist mir gerade recht, so anregend, zum Teil so ungemein monumental! (...) Ich persönlich habe Sehnsucht (...) auf alle Fälle nach Architektur und sei sie nur in Steinhütten verkörpert.“
Feiningers Begeisterung für die dörfliche Architektur der Umgebung Weimars entspricht einem Lebensgefühl, das in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg insbesondere unter den Expressionisten verbreitet ist. In Opposition zur modernen Industriegesellschaft stehend, favorisieren diese ein natürliches von der Zivilisation unangetastetes Leben, wie es etwa die Brücke-Künstler an den Moritzburger Teichen suchen. Dem entspricht Feiningers Faszination für die mittelalterliche Architektur, in Form alter Dörfer, Dorfkirchen, Kathedralen, Türmen und Stadttoren.
Obwohl Feininger sich nach seiner Rückkehr in die USA auch der modernen, zeitgenössischen Architektur zuwendet und eine Serie von Manhattans Wolkenkratzern malt, bleibt er bis zu seinem Lebensende insbesondere in der Federzeichnung sowie dem Aquarell, aber auch im Ölbild der dörflichen und Sakral-Architektur Thüringens und der Orte an der Ostsee tief verbunden. 1954 schreibt er an Gerhard Marcks, den Freund aus der Zeit am Bauhaus: „Ich besitze 10.000 Skizzen aus Deutschland – von Weimar und Thüringen, und von der Ostsee vor allem und lebe in ihnen täglich (...)“.
Herzlichst,
Ihre
Petra & Ole Koch
Anette Brunner |