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Lyonel Feininger zählt zu den bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein heute im Newsletter vorgestelltes Aquarell aus unserer laufenden Sonderausstellung Lyonel Feininger: Werke aus sechs Jahrzehnten ist ein charakteristisches und höchst formvollendetes Werk des Künstlers. Es zeigt die für Feininger typische Entmaterialisierung und Transparenz, seine Vorliebe für Linearität und Reduktion der Farbigkeit, hier auf einen Gelb-Blau Kontrast sowie das Dunkelgrau bzw. Schwarz des Bleistifts und der Tusche.
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Häuser

Aquarell, Bleistift, Tusche auf Papier, 1955
23,4 x 31,6 cm
Signiert und datiert (19.IX.55)

EUR 28.000 inkl. Rahmen und Steuer
 


Bildgegenstand des Aquarells ist die Architektur, bestehend in einer Reihe leicht erhöht und nahe beieinanderstehender dörflicher Wohnhäuser in abschüssigem Gelände. Die gelb aquarellierten Gebäude leuchten warm vor dem blauen, oberhalb der Dächer mit Bleistift grafitgrau getönten Himmel. Die Architektur erfasst Feininger mittels weniger Umriss- und Binnenlinien, letztere teils zur Andeutung eines Fachwerks gezogen.

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Die Formgebung der wiedergegebenen Architektur legt nahe, dass dem 1955 datierten und damit in den USA geschaffenen Aquarell eine in Deutschland, höchst wahrscheinlich im Umland von Weimar, gezeichnete Zeichnung Feiningers zugrunde liegt. Die 1937 durch die Politik und den Antisemitismus der Nationalsozialisten erzwungene Rückkehr Feiningers mit seiner Frau Julia in seine Heimatstadt New York fiel dem Künstler nicht leicht. Wie Feininger in Briefen bekennt, findet er in der neuen Umgebung nicht die ihn seelisch und geistig berührenden Motive. „Was ich wirklich misse“, schreibt Feininger 1953 an seinen Sohn Theodor Lux Feininger, „ist, nach der Natur zu zeichnen und ‚Notizen’ zu machen, wie an der Ostsee, in Deep, oder in den Dörfern um Weimar. Irgendwie genügen mir die Motive hier nicht, sie enthalten zu wenig von meinen inneren Wünschen und führen nur zu naturalistischen Ergebnissen.“ Daher geht ein großer Teil Feiningers in den USA gearbeiteter Werke auf seine in Deutschland gezeichneten Skizzen, die von ihm so genannten „Notizen“ zurück.

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Ein zentrales Motiv dieser „Notizen“ ist die Architektur. Hier interessiert sich der Künstler insbesondere für die mittelalterlichen Sakralbauten, Brücken, Stadttore, Türme sowie dörfliche Architektur sowohl an der Ostsee als auch im Umland von Weimar, wo er sich ab 1906 und bis nach 1930 wiederholt mehr oder weniger lang aufhält und vor Ort hunderte von Skizzen anfertigt. Aus Weimar schreibt er 1913 an Alfred Kubin: „Die Dörfer, wohl über Hundert, in der Umgebung sind prachtvoll! Die Architektur: (Sie wissen ja, wie ich von der ausgehe!) ist mir gerade recht, so anregend, zum Teil so ungemein monumental! (...) Ich persönlich habe Sehnsucht (...) auf alle Fälle nach Architektur und sei sie nur in Steinhütten verkörpert.“

Feiningers Begeisterung für die dörfliche Architektur der Umgebung Weimars entspricht einem Lebensgefühl, das in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg insbesondere unter den Expressionisten verbreitet ist. In Opposition zur modernen Industriegesellschaft stehend, favorisieren diese ein natürliches von der Zivilisation unangetastetes Leben, wie es etwa die Brücke-Künstler an den Moritzburger Teichen suchen. Dem entspricht Feiningers Faszination für die mittelalterliche Architektur, in Form alter Dörfer, Dorfkirchen, Kathedralen, Türmen und Stadttoren.

Obwohl Feininger sich nach seiner Rückkehr in die USA auch der modernen, zeitgenössischen Architektur zuwendet und eine Serie von Manhattans Wolkenkratzern malt, bleibt er bis zu seinem Lebensende insbesondere in der Federzeichnung sowie dem Aquarell, aber auch im Ölbild der dörflichen und Sakral-Architektur Thüringens und der Orte an der Ostsee tief verbunden. 1954 schreibt er an Gerhard Marcks, den Freund aus der Zeit am Bauhaus: „Ich besitze 10.000 Skizzen aus Deutschland – von Weimar und Thüringen, und von der Ostsee vor allem und lebe in ihnen täglich (...)“.
 

Herzlichst,
Ihre
Petra & Ole Koch
Anette Brunner
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