Lyonel Feininger

Benz, 1950

Aquarell und Feder
24 × 25,9 cm
Signiert, datiert und betitelt Nachlass-Stempel
Provenienz:
Atelier des Künstlers, New York;
Julia Feininger, New York;
Nachlass Julia Feininger, New York;
Marlborough Fine Art, London;
Privatsammlung, Niedersachsen

Über den Künstler

Lyonel Feininger wird am 17. Juli 1871 als Leónell Charles Feininger in New York City (USA) geboren. Seine Eltern sind Musiker; der aus Baden stammende Vater, Karl (Charles), ist Geiger und Komponist, die Mutter, Elizabeth Cecilia, geb. Lutz, ist Pianistin und Sängerin. 1887 reist der erst 16 jährige Feininger nach Deutschland, wo er auf Wunsch der Eltern in Leipzig sein Geigenspiel vervollkommnen soll. Zunächst in Hamburg bei einer Verwandten lebend, nimmt Feininger Zeichenunterricht an der Hamburger Gewerbeschule. Er ist fest entschlossen Maler zu werden: „(…) das Leben wäre nicht lebenswert, wenn ich diesem Beruf nicht folgen könnte (…)“ schreibt er am 27. Februar 1888 aus Hamburg. Noch im selben Jahr geht Feininger nach Berlin, wo er an der Akademischen Hochschule für die bildenden Künste das Studium der Malerei aufnimmt (bis 1890). In Berlin beginnt er Karikaturen zu zeichnen und als Karikaturist für Zeitungen und Zeitschriften zu arbeiten. Ein mehrmonatiger Aufenthalt (1890) in Lüttich, wo Feininger auf Wunsch des Vaters das Collège St. Servais besucht, weckt sein Interesse für die alte Architektur. Nach seiner Rückkehr nach Berlin (1891) studiert Feininger zunächst an der Kunstschule von Adolf Schlabitz, dann erneut an der Akademischen Hochschule für die bildenden Künste. Nach einem Studienaufenthalt (1892/93) in Paris mit Besuch der Academie Colarossi kehrt Feininger nach Berlin zurück. Die Bekanntschaft (1905) mit Julia Berg, geb. Lilienfeld, die er 1908 heiratet, führt zu seinem ersten Aufenthalt in Weimar (1906). 1906 geht Feininger erneut nach Paris. Hier entstehen 1907 seine ersten Gemälde. Nach seiner Rückkehr nach Berlin lässt sich Feininger in Berlin-Zehlendorf nieder (bis 1919). 1911 begegnet er in Paris erstmals den Werken des französischen Kubismus, der nachhaltig sein künstlerisches Schaffen beeinflusst. Aufgrund seiner Liebe zu Weimar und dessen Umgebung mietet Feininger hier 1913 ein zusätzliches Atelier. Die ersten Gemälde der Dorfkirche von Gelmeroda entstehen. In demselben Jahr wird Feininger zur Teilnahme am Ersten deutschen Herbstsalon eingeladen, der von Franz Marc, August Macke und Herwarth Walden, dem Gründer der Berliner Galerie „Der Sturm“ organisiert wird. 1917 erhält Feininger seine erste Einzelausstellung in der Sturm-Galerie. 1918 beginnt Feininger seine ersten Holzschnitte zu schaffen, die neben der Malerei und dem Aquarell zu einem bedeutenden künstlerischen Ausdrucksmittel des Künstlers werden, und wird 1919 als erster Meister an das von Walter Gropius gegründete Staatliche Bauhaus in Weimar berufen. Sein Holzschnitt einer Kathedrale mit drei Sternen (1919) dient als Titel des Programms des Staatlichen Bauhauses. 1921 wird Feininger Formmeister der Bauhausdruckerei und ist in dieser Funktion für die Herausgabe der druckgrafischen Editionen des Bauhauses Weimar verantwortlich (z.B. Neue europäische Graphik – Erste Mappe, Meister des Staatlichen Bauhauses Weimar, 1921). Zusammen mit Wassily Kandinsky, Alexej Jawlensky und Paul Klee gründet er 1924 die Gruppe „Die Blauen Vier“, die als eine Ausstellungsgemeinschaft gedacht ist. In den USA werden die vier Maler als Gruppe von Emmy Galka Scheyer vertreten. 1926 zieht Feininger mit dem Staatlichen Bauhaus nach Dessau um, wo er sich von Gropius von seiner Lehrtätgkeit entbinden lässt, jedoch als Artist-in-Residence bis 1932 bleibt. In diese Jahre fallen seine Aufenthalte in Halle (Saale), die zu einer zwischen 1929 und 1931 entstehenden Serie von 11 Gemälden führen (z.B. "Marienkirche von Westen", Halle, 1930, Öl/Lw., Halle, Kunstmuseum Moritzburg). 1931 erhält Feininger seine erste museale Retrospektive (Essen, Museum Folkwang). Nach der Schließung des Bauhauses 1932 durch den nationalsozialistischen Gemeinderat in Dessau, hält sich Feininger zunächst in Deep (Pommern), dann bei Freunden in Berlin auf. 1934 bezieht er zusammen mit seiner Frau Julia eine Wohnung in Berlin-Siemensstadt. 1936 folgt Feininger einer Einladung des Kunsthistorikers Alfred Neumeyer, eine Lehrveranstaltung am Mills College in Oakland, Kalifornien, abzuhalten. Feininger kehrt erstmals seit Jahrzehnten für einige Monate in die USA zurück. Obwohl seine Werke in Deutschland von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert werden, kehrt Feininger noch einmal nach Deutschland zurück. 1937 werden über 550 seiner Werke in den deutschen öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt. Feininger entschließt sich, Deutschland zu verlassen und folgt noch 1937 einer zweiten Einladung ans Mills College in Oakland, wo er einen Sommerkurs abhält. Feininger und seine Frau Julia lassen sich schließlich in New York City nieder (235 East 22nd Street). Seine zahlreichen an der Ostsee und um Weimar entstandenen Natur-Notizen dienen ihm dazu, die Erinnerung an seine Aufenthalte dort zu Aquarellen und Gemälden zu verarbeiten. 1942 kauft das Metropolitan Museum of Art, New York, Feiningers Gemälde "Gelmeroda XIII" (1936, Öl/Lw.) an. 1944 erhält Feininger eine bedeutende Retrospektive im Museum of Modern Art, New York, 1951 im Cleveland Museum of Art, Cleveland. Feininger stirbt am 13. Januar 1956.
Mit dem Aquarell Benz knüpfte Feininger 1950 an ein Motiv an, das auf seine Aufenthalte auf der Insel Usedom an der Ostsee zurückgeht. Von 1908 bis 1912 verbringt der Künstler hier die Sommermonate, meist im Seebad Heringsdorf, von wo aus er mit dem Fahrrad oder zu Fuß die Insel erkundete, besucht diese jedoch wiederholt auch im Herbst. 1909 scheint Feininger Benz und seine evangelische Kirche St. Petri erstmals gezeichnet zu haben. In den folgenden Jahren sucht er die Ortschaft verschiedentlich auf, wobei er sich künstlerisch insbesondere für deren im Kern frühgotische Dorfkirche interessiert. Über zwei Jahrzehnte hinweg wird Feininger sich mit dieser in Blei- und Buntstiftzeichnungen, Aquarellen sowie Ölbildern künstlerisch beschäftigen und greift auch nach der Rückkehr 1937 in seine Geburtsstadt New York das „liebgewonnene“ Motiv fortgesetzt auf.

Für das Aquarell von 1950 wählt Feininger den Blick unter Bäumen hindurch auf das in der Ferne liegende dörfliche Ensemble mit hochaufragendem Kirchturm, das er zu einer blauen Silhouette zusammenfasst. Möglicherweise geht das Aquarell auf eine Zeichnung Feiningers zurück, die bereits 1913 dem Ölbild "Benz (II)" als ideelle Basis dient.