Rudolf Jahns

Rote Figur im Raum (Bild No. 21), 1964

Öl auf Hartfaser
33,5 × 13 cm
Verso signiert, datiert und betitelt
Provenienz:
Atelier des Künstlers
Privatsammlung, Holzminden
Literatur:
Ulrich Krempel, Barbara Roselieb Jahns (Hrsg.), Rudolf Jahns. Werkverzeichnis 1917-1981, Ostfildern-Ruit 2003, S. 226, Nr. 399.
Kunst-Stücke: Eine Ausstellung auf Reisen, München - Hannover - Köln, Ausst.-Kat. Galerie Koch, Hannover 2021, S. 46f.

Über den Künstler

Rudolf Jahns wird am 13. März 1896 in Wolfenbüttel geboren. Er wächst ab 1902 in Braunschweig auf, wo er 1915 das Abitur macht. Bereits als Schüler zeichnet Jahns auch ist er als Flötist Mitglied im Schulorchester. Nach dem Einsatz als Sanitäter im Ersten Weltkrieg (bis März 1919) kehrt er nach Braunschweig zurück. Auf Drängen des Vaters arbeitet Jahns beim Zoll, malt und zeichnet jedoch autodidaktisch weiter. Er mietet ein Atelier außerhalb der elterlichen Wohnung. Jahns beginnt sich mit der zeitgenössischen europäischen Avantgarde auseinanderzusetzen, namentlich den Werken von Lyonel Feininger, den kubistischen Werken von Pablo Picasso und George Braque, den abstrakten Kompositionen Wassily Kandinskys und Paul Klees. Es entstehen erste Zeichnungen, Temperabilder und Aquarelle mit konstruktiver Gestaltung der Fläche. 1920 wird Jahns als Finanzbeamter nach Holzminden versetzt. Hier fühlt er sich isoliert und flieht in das Naturerlebnis, das neben der Liebe zur Musik für seine Kompositionen trotz geometrisch-abstrakter Formensprache von Bedeutung bleibt. Dabei sucht Jahns den schöpferischen Umgang mit den in der Natur vorgefundenen Formen und Farben, der nach seiner Ansicht Voraussetzung jeglicher künstlerischen Gestaltung ist, um „Lebendiges“ zu formen und nicht „starre Materie“ (1924). Die Auseinandersetzung mit der Natur, aber auch die musikalische Fundierung seiner Kompositionen verbinden Jahns mit Paul Klee. Jahns beschäftigt sich intensiv mit der klassischen Musik und spielt neben der Flöte auch Klavier. 1924 kann Jahns erstmals Werke in der Berliner Galerie „Der Sturm“ ausstellen. Hier sieht er auch die Arbeiten des Hannoverschen Künstlers Kurt Schwitters. Persönlich lernen sich die beiden am 24. Februar 1927 kennen. Jahns hatte für den Hannoveraner in seinem Holzmindener Atelier einen sogenannten „Merz“-Abend arrangiert. Bei dieser Gelegenheit sieht Schwitters erstmals Werke von Jahns und lädt diesen noch am selben Abend zur Teilnahme an zwei projektierten Ausstellungen der „Internationalen Vereinigung der Expressionisten, Futuristen, Kubisten und Konstruktivisten e.V.“ („Die Abstrakten“) sowie zur Gründung einer eigenen Ortsgruppe dieser Künstlervereinigung in Hannover, den „abstrakten hannover“, ein. Der am 12. März 1927 in Schwitters Wohnung in Hannover gegründeten Gruppe gehören neben Schwitters und Jahns Friedrich Vordemberge-Gildewart, Carl Buchheister, Hans Nitzschke und später auch Cesar Domela an. Das Verbot abstrakter Malerei durch die Nationalsozialisten und die Beschlagnahmung seines Ölbilds „Abstrakte Komposition“ aus dem Provinzialmuseum Hannover treiben Jahns in die künstlerische Emigration und hin zur gegenständlichen Darstellung von Mensch und Landschaft. Nach 1945 nimmt Jahns sein abstrakt-konstruktives Schaffen zunächst zögernd, dann mit neuer Intensität auf, wobei das Naturerlebnis, die Landschaft, die Musik sowie die Architektur in seine Kunst verwoben werden. Der frühe Tod seiner Frau Renate (1958) sowie seines Sohnes (1960) stürzen den Künstler in eine Schaffenskrise, die er noch in der ersten Hälfte der 1960er Jahre überwindet. Es entsteht nun sein Spätwerk, das von Innovation und Qualität geprägt ist. Jahns erfährt Anerkennung durch Einzelausstellungen in Kunstvereinen sowie Museen. 1976 veranstaltet das Westfälische Landesmuseum für Kunst und Kultur eine Einzelausstellung des Künstlers, 1981 das Sprengel Museum Hannover sowie das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen. 1982 wird Jahns das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen sowie die Ehrenbürgerwürde der Stadt Holzminden. Nach dem Tod Jahns wird 1994 die Rudolf-Jahns-Stiftung gegründet. Seitdem führt das Sprengel Museum Hannover regelmäßig Einzelausstellungen des Künstlers durch.
Die hochrechteckige Komposition Rudolf Jahns zeigt vor einem abstrakt-ungegenständlich gestalteten Hintergrund mit teils winkligen Flächenformen in erdigen Farbtönen eine hochaufragende, in hellen, warmen Rottönen gemalte Figur. Auch diese zeigt eine abstrakte Formensprache, die mit dem gemalten Umraum in Einklang steht, und ist in erster Linie durch ihre aufrechte Gestalt definiert, die als ein Wesensmerkmal des menschlichen Körpers gilt.
Obwohl sich Rudolf Jahns als abstrakter Maler verstand, zeigen seine Werke vielfach Bezüge zu der Gegenstandswelt. 1955 bekennt er seinem Malerkollegen Walter Wilhelm: „Nun, Du weisst ja, dass ich vom Wert der abstrakten Malerei überzeugt bin, obgleich ich in vielen Bildern den Gegenstand irgendwie erkennen lasse als das ‚Beziehungsvolle‘, das Menschliche, das Mittelnde. – Überhaupt ist eigentlich alles erlaubt, wenn gute Malerei dabei herauskommt. Es kommt wohl darauf an, wie einer der Welt der Erscheinungen verhaftet ist und im Wesen der natürlichen Dinge (Mensch, Pflanze, Tier, Landschaft, Raum, Ding) ruht, sich in ihnen fühlt, sie in sich fühlt. Eine starke Bindung zu diesen Formen macht es schwer, sich ihrer gänzlich zu entäussern. – Ich würde es nicht können.“(1)

1) Rudolf Jahns, Brief vom 19. Februar 1955 an Walter Wilhelm, in: Rudolf Jahns, Malen ist leben, Tagebücher, Briefe, Texte, Münster 1988, S. 134.