Thomas Cena

Acapulco, 2019

Silberstift auf Leinwand auf Holz
55 × 65 cm
Verso signiert und datiert
Provenienz:
Atelier des Künstlers

Über den Künstler

Der Zeichner und Maler Thomas Cena erfasst in seinen Silberstift- und Kohlezeichnungen wie auch seinen farblich reduzierten Aquarellbildern auf Papier und Leinwand urbane Randgebiete, städtisches Unterholz und Ruderalflächen und stellt dabei vergessene und vergehende Architekturfragmente, unkultivierte Agrarlandschaften oder florale Rückeroberungsbereiche in den Mittelpunkt. Der Aneignung und Bildwürdigung dieser scheinbar profanen Schauplätze seiner näheren Umgebung, derer sich die Natur zu bemächtigen sucht und denen kaum Pflege zuteil zu werden scheint, könnte man durchaus eine semi-romantische Grundnote unterstellen. Diese wird jedoch gebrochen, es findet keine Überhöhung oder Verklärung der Natur statt, sondern eine Art „Naturrecherche“, die deren Kräfteverhältnisse in durchkultivierter Umgebung festhält und dem Wildwuchs, den Fluchten einen Raum vorhält. Cenas behutsamer Blick zeigt seine Sympathie für ein Zulassen natürlicher Vorgänge unter „erschwerten“ Bedingungen und entfaltet dabei eine feine Poesie, die das „Naturschöne“ dort zu entdecken vermag, wo sich vormals oder weiterhin eine Einhegung oder Bedrohung der Umwelt durch den Menschen ergab und ergibt. Durch die relative Gleichmäßigkeit einer flächigen Schraffur überführt Cena seine Landschaften getupft und gefleckt in den Widerspruch aktueller Zeitlosigkeit. Bei eingehender Betrachtung der Arbeiten enthüllt sich nach Anerkennung der handwerklichen Meisterschaft, die ihre Vorbilder aus den Reihen der französischen Impressionisten nicht leugnet, sukzessive die Bedeutungstiefe des „Niemandslandes“ und bietet die Möglichkeit,sich auf vage Symbolhaftes und Hintergründiges der Sujets einzulassen. In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Süddeutschland unter dem vieldeutigen Titel „Aura“ fokussiert der Künstler den Blick mehrheitlich auf Ansichten einer besonderen Landschaftssituation der niedersächsischen Tiefebene, auf die Eilenriede, das größte innerstädtische Waldgebiet Europas, einem 640 Hektar weiten Überbleibsel mittelalterlicher Rodungsphasen im Zentrum Hannovers. Cena zeigt Dickicht und Gestrüpp, verlandende Tümpel und zuwachsende Lichtungen, quasi Reste oder naturnahe Zitate des ehemaligen sogenannten Nordwaldes, die sich trotz des Hintergrundrauschens der Landesmetropole in eigenwillig-elegische Orte verwandeln können. Dass er sich häufig, wenn auch nicht ausschließlich (wie „Reisebilder“ aus Griechenland, Italien und Japan dokumentieren) seiner unmittelbaren Umgebung widmet, insbesondere deren landschaftlichen Aspekte, sollte jedoch, wie erwähnt, nicht als romantisierende Naturbetrachtung heimatlicher Gefilde verstanden werden, sondern öffnet den Blick auch auf das Unheimliche im Vertrauten, sucht dessen „exotisches Moment“: Gegen die Heimeligkeit des Bekannten macht sich Cena auf Entdeckungsreisen in die Nähe. Die polemische Frage, ob er sich mit „Heimat“ beschäftige, beantwortet der aus dem polnischen Kattowitz stammende Zeichner lakonisch: „Mich interessiert Heimat überhaupt nicht. Ich sitze gerne im Zug in Fahrtrichtung und schaue aus dem Fenster nach vorn.“ Thomas Cena eignet sich die Motive seiner Arbeiten meist fotografisch an, um eine Auswahl anschließend in seinem Atelier auf Papier oder Leinwand zu bringen. Diese Übertragung einer aktuellen Auseinandersetzung mit seinem persönlichen Umfeld in traditionellen Gestaltungstechniken ist ein weiterer Reizpunkt, der dieses OEuvre zu einer lohnenswerten Entdeckung werden lässt.

Der 1970 in Kattowitz (Polen) geborene und 1979 nach Deutschland übersiedelte Künstler hat Malerei an der Hochschule für Bildenden Künste Braunschweig studiert und war Meisterschüler bei Malte Sartorius. Nach einem DAAD-Stipendium in Japan, zwei einjährigen Wohn- und Arbeitsstipendien für Malerei in Stuhr und Northeim hatte Cena von 2007 bis 2015 einen Lehrauftrag für Grundlagen der Malerei an seiner ehemaligen Hochschule inne. Seit 2018 unterrichtet er Kunst an einem Gymnasium in Springe. Er lebt und arbeitet in Hannover.

Alexander Steig