Karl Bohrmann

Bäume blau, schwarz mit blaugrauem Streifen, 1998

Ölkreide auf Papier
8,8 × 9,3 cm
Verso Nachlass-Stempel
Provenienz:
Nachlass Karl Bohrmann
Literatur:
Blau: Von farblichen Akzenten zur Monochromie V, Ausst.-Kat. Galerie Koch, Hannover 2023, S. 16f.

Über den Künstler

Karl Bohrmann wird am 29. Oktober 1928 in Mannheim geboren. Bereits als Schüler beginnt er zu zeichnen und zu malen. In der Mannheimer Kunsthalle begeistern ihn Werke von Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus. Bohrmann lernt den in Ludwigshafen a. Rh. lebenden Künstler Rudolf Scharpf (1919-2014) kennen, den er später als seinen eigentlichen Lehrer bezeichnet. Nach dem Studium an der Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken (1947-48) bei Karl Kunz und Boris Kleint sowie an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (1948-49) bei Willi Baumeister arbeitet Bohrmann als freier Künstler im Pfälzer Wald, wo er mit seiner Frau, der Künstlerin Maria Reuter, ein Atelier im Morschbacher Hof einrichtet. 1952 erhält Bohrmann ein 2-jähriges Arbeits-Stipendium des Landes Rheinland-Pfalz und zieht in das dafür eingerichtete Atelierhaus in Koblenz. Hier lernt er den Bildhauer Michael Croissant und dessen Frau, die Bildhauerin Christa von Schnitzler, kennen. Es entstehen fast ausschließlich Radierungen. 1954 kehrt Bohrmann nach Ludwigshafen a. Rh. zurück. Auf Italienreisen (1953, 1954) begegnet Bohrmann dem Werk von Giorgio Morandi, das ihn nachhaltig beeinflusst. 1957 wird er mit dem Kunstpreis der Jugend von Baden-Württemberg, 1958 mit dem Pfalzpreis ausgezeichnet. Aufgrund seiner Freundschaft mit Michael Croissant siedelt Bohrmann 1959 nach München über, wo er die Bekanntschaft von Gerhard von Graevenitz macht. In München nimmt der Galerist Günther Franke Bohrmann in sein Programm auf. Eine Reise nach Paris führt zur Begegnung mit Zeichnungen von Alberto Giacometti. Begeistert beginnt Bohrmann sich vermehrt mit der Zeichnung zu beschäftigen. Auf einer mehrmonatigen Reise nach Griechenland 1962 findet Bohrmann zur Farbe und zur Malerei. Aquarellierte Zeichnungen in feinem, vom Informel beeinflussten, farbigen Liniengespinst entstehen, die Landschaften sowie Körper geschlachteter Tiere andeuten, wie Bohrmann sie auf seiner Reise beobachtet hat. 1962 erhält Bohrmann den Förderpreis Rheinland-Pfalz, 1964 den Premio Lugano, 1969 den Deutschen Preis der Mostra Biennale Internazionale della Grafica, Florenz. Nach einer Reise nach New York 1969 entstehen erste großformatige Leinwandbilder. Anfang der 1970er Jahre wendet sich Bohrmann in seiner Zeichnung dem Thema Figur und Raum zu. Aquarellierte Bleistiftzeichnungen von Innenräumen mit Akten oder auch Tischen und Lampen, die die Ateliersituation andeuten, entstehen. Im Wintersemester 1970/71 nimmt Bohrmann eine Gastdozentur an der Städel-Schule in Frankfurt a.M. an, ab Wintersemester 1971/72 ist er Unterrichtsleiter der Städel-Abendschule. Bohrmann unterrichtet in erster Linie die Aktzeichnung. 1972 zieht Bohrmann nach Frankfurt a.M. um. Er kauft ein Haus in Amsterdam, das er in den Semesterferien bewohnt. Bohrmann beginnt sich mit der Fotografie zu beschäftigen, experimentiert mit der Fotocollage sowie der Collage. 1977 ist Bohrmann mit sieben großformatigen, aquarellierten Zeichnungen auf der documenta 6 vertreten. Der Unterricht an der Städel-Abendschule lähmt Bohrmann, seine eigentliche Kreativität entfaltet er in den Semesterferien in Amsterdam. 1980 gibt Bohrmann seine Stellung an der Städel-Schule auf und siedelt ganz nach Amsterdam über. Die Städtische Galerie im Lenbachhaus hält die erste Retrospektive des Werkes Bohrmanns ab. 1982 wird Bohrmann mit dem Villa-Romana-Preis ausgezeichnet. In Florenz beginnt er sich intensiv der Malerei zu widmen. Die Serie der Bilder auf Nessel setzt ein. Sie verbindet Zeichnung und Malerei auf sensible Weise und enthält Bohrmanns bis dahin entwickeltes Motivrepertoire wie etwa das Haus, den Innenraum, das Fenster, den Akt, die Landschaft und Himmelserscheinungen. Mit den Werken auf Nessel wird der Strich Bohrmanns kräftiger. Er setzt neben der Ölkreide den Ölstift ein. Parallel zeichnet er und schafft Collagen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland lässt sich Bohrmann 1983 in Düsseldorf nieder, 1986 in Köln. Ab 1985 wird die Zeichnung zusammen mit der Collage erneut zu Bohrmanns wichtigstem künstlerischem Ausdrucksmittel. Variierende Wiederholungen der „Gegenstände“ seiner „Ikonografie“ prägen das Werk Bohrmanns der 1990er Jahre: es entstehen seine prominenten, hochgeschätzten Serien wie etwa der „Akt mit rotem Mantel“, die „Rote Figur“, Bäume, Rote Bäume, Dampfer, Leitern, Stillleben, „Briefe nach Wien“ und die Himmelserscheinungen - Werke von höchster poetischer Sensibilität und magischer Suggestion.
Die Motive Karl Bohrmanns sind in erster Linie von sinnlichen Eindrücken und dem Empfinden seiner Lebensumgebung bestimmt. Nicht immer verarbeitet der Künstler diese unmittelbar, sondern greift sie teils Jahre später aus der Erinnerung auf. So basiert die beeindruckende und wundervolle Werkgruppe der Bäume auf dem Ausblick aus einem Fenster seines Ateliers in Düsseldorf-Oberkassel, wo er von 1983-86 lebte und hier auf eine gegenüberstehende Reihe von Pappeln blickte. Aus der Rückerinnerung und der Vergegenwärtigung der Empfindungen, die mit dem Anblick der Bäume verbunden waren, beginnt Bohrmann um 1990 sich intensiv mit diesem Sujet zu befassen und schafft bis 1998 Serien von beachtlicher Vielfalt zu dieser Thematik.
Zu den 1998 entstandenen Serien mit Bäumen gehört die der "Bäume, blau, schwarz": dichte Baumreihen mit schmalen, an Pappeln erinnernden Kronen, die Bohrmann in erster Linie in dunklen Blautönen und Schwarz gestaltet. Selten deutet Bohrmann in dieser Serie Landschaft an und dann lediglich als farbige Linie, die Himmel oder Horizont bezeichnet. Wie für sein zeichnerisches Werk charakteristisch, nutzt der Künstler auch in dieser Serie teils bereits verwendete, beschriftete Papiere wie etwa Brieffragmente. Der Ausdruck der Serie "Bäume, schwarz, blau" resultiert in erster Linie aus den Farben. Diese verbinden sich mit der Dämmerung und der Nacht und verleihen den Arbeiten einen ruhigen, kontemplativen Ausdruck.