Horst Antes

Haus rot, grün, schwarz in dunkler Fläche, 1997

Acryl und Graphit mit Sägemehl auf Sperrholz
40 × 30 cm
Verso signiert, datiert und betitelt
Provenienz:
Atelier des Künstlers (Ateliernummer SIC 1997);
Privatsammlung, Niedersachsen
Literatur:
Horst Antes: Werkverzeichnis der Gemälde 1997. Bd. 10: 1997-2003, hrsg. v. der Studienstiftung Horst Antes, Künzelsau 2015, S. 45, Nr. 1997-25.
Grün: Von farblichen Akzenten zur Monochromie IV, Ausst.-Kat. Hannover 2021, S. 50f.

Über den Künstler

Horst Antes gehört zu den wichtigsten Erneuerern der figurativen Malerei und Plastik in Deutschland nach 1945. Sein umfangreiches Werk besteht aus Gemälde, Plastiken, Zeichnungen, Keramiken, Druckgrafiken und Werken der Buchkunst. Trotz formaler und inhaltlicher Unterschiede ist seinen in über sechs Jahrzehnten geschaffenen Arbeiten ihr oft hermetischer, rätselhafter und hintergründiger Charakter gemeinsam, verbunden mit einer dem Künstler ganz eigenen Symbolik.
Zu Antes‘ bekanntesten Schöpfungen gehören anthropomorphe Kunstfiguren, auch Kopffüßler genannt, die zwischen 1962 und 1981 sein Werk dominieren. Meist als Einzelfigur, aber auch als Paar dargestellt, sind sie in nicht näher definierten Umräumen, dann auch in surrealen Landschaften wiedergegeben: Archetypen des Menschen, zuweilen mit Beigaben versehen wie etwa Leiter, Rohr, Reif, Schlange, Taube, Hase, Stuhl, Tisch, Löffel, Federn und Spermien. Diese zeugen von Antes‘ Interesse an Frühformen der Religion, an Spiritualität und Kult, insbesondere der Pueblo-Indianer Nordamerikas aus deren spiritueller Bilderwelt Zeichen Eingang in das Werk des Künstlers gefunden haben. Ab 1983 entstehen die sogenannten „Votive“: aus sehr feinem Goldblech geschnittene, mythische Szenerien, bestehend aus menschlichen Figuren sowie der gegenständlichen Symbolwelt seiner Kunstfiguren. In transparenten Schaukästen installiert, bilden die „Votive“ magisch anmutende plastische Ensembles von feierlicher Entrücktheit. Ähnliches gilt für die 1987 einsetzenden „Hausfiguren“. Ihre sakrale Feierlichkeit und magische Aura resultiert aus ihrer den äußeren Sinnen nicht zu durchdingenden Hermetik. Karge Kompositionen geschlossener Architektur versinnbildlichen den Existenzraum des Menschen, das Haus als Metapher für den Menschen.
Verborgen, aber doch existent materialisiert Antes das Fortschreiten der Zeit in den seit 1989 entstehenden „Datums- und Zeitraumbildern“. Die im Bild über einen bestimmten Zeitraum übereinander gemalten Angaben zu Tag, Monat und Jahr werden durch das Übereinanderlegen der Datumsschichten immer schwerer lesbar, „verblassen“, bleiben aber doch vorhanden. Verso listet sie der Künstler akribisch auf.
Antes studiert von 1957-1959 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei HAP Grieshaber. Als Stipendiat 1962 der Villa Romana, Florenz, sowie 1963 der Villa Massimo, Rom, lebt der Künstler in den sechziger Jahren einige Zeit in Italien, seiner späteren Wahlheimat. 1964, 1968 und 1977 ist Antes Teilnehmer der documenta in Kassel, 1966 der Biennale in Venedig, 1991 der Biennale von Sao Paulo, wo er mit dem „Großen Preis“ geehrt wurde. Von 1965-73 und 1985-2000 hat Horst Antes eine Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe inne. Seine Werke sind national und international in Museen vertreten. Der 1936 in Heppenheim geborene Horst Antes lebt und arbeitet heute in Sicellino bei Siena, in Karlsruhe und Berlin.
In Auseinandersetzung mit den sogenannten Kopf-Serien ("Mystische Köpfe", "Heiligengesichter", "Abstrakte Köpfe", "Meditationen") des russischen Malers Alexej Jawlensky entstehen ab 1993 im Werk von Horst Antes gemalte Analogien zu einzelnen dieser Köpfe. Das 1997 von Antes geschaffene "Haus, rot, grün, schwarz in dunkler Fläche" ist eine solche Analogie. Sie entstand zu Jawlenskys "Mystischer Kopf: Junger Buddha" von 1918 (WV 986; Privatbesitz).

In "Haus, rot, grün, schwarz in dunkler Fläche" übernimmt Antes aus dem Werk des russischen Malers die Farben Rot, Grün und Schwarz, deren Anordnung sowie bestimmte formale Kompositionsprinzipien. Mit dem Haus als Analogie zum Kopf reagiert Antes auf dessen Metaphorik sowie Entstehungsprozess, der mit einer mystischen Versenkung des Künstlers einhergeht. Die auf ihre Grundform reduzierten, hermetisch verschlossenen Häuser sind ihrerseits Metaphern des geistigen Rückzugs, des sich Abschließens gegen die Außenwelt, der Selbsteinkehr, der Konzentration auf das Spirituelle wie sie Francesco Petrarca in "De vita solitaria" beschreibt. Zudem stehen diese metaphorisch für Antes‘ eigene Haltung gegenüber der Welt. Das Haus-Motiv kann als ein Selbstbild des Künstlers gedeutet werden. Eine „casa come me“, ein „Haus wie ich“, hat sich der italienische Schriftsteller Curzio Malaparte bauen lassen. Das Haus als Alter Ego, die Architektur als Sinnbild der bevorzugten eigene Lebensweise und -auffassung.